Ich öffne mein Mail – Postfach und gebe seinen Namen in die Suchmaschine ein. 94 Mails. In neun Monaten. Ein paar davon lese ich wieder. Peinlich berührt stelle ich fest, wie ratlos ich selbst einige meiner Mails gelesen hätte, wären sie von jemand anderem gekommen. Aber nein, kein Grund, peinlich berührt zu sein - ich habe geliebt. Nicht besonders geschickt und manchmal saß ich dabei auf einem anderen Planeten – aber das, was ich dabei gefühlt habe, war aufrichtig. Widerwillig sehe ich ein, dass Annäherung seinerseits sporadisch kam, und meistens dann, wenn ich mich gerade lösen wollte. Das alte Spiel. Ich kopiere einiges in ein Word – Dokument. Dann lösche ich jede einzelne Mail. Dann ist es etwas besser. In eine dicke Decke gewickelt setze ich mich aufs Fenstersims, stecke eine neue Zigarette an, rauche sie diesmal ganz und genieße die Stille über der Stadt. Es wird hell. Die Sonne bricht ganz kurz aber tiefrot durch die grauen Wolken. Ich muss lächeln. Über uns beide. Zwei Menschen, die nicht ohne weiteres zusammenpassen und sich deshalb ständig missverstehen. Zwei Menschen, die sich verhalten, wie Menschen sich schon immer verhalten haben. Das ist doch das kleine Einmaleins der Liebe zwischen Mann und Frau – oder Mann und Mann oder Frau und Frau: Wer zu sehr klammert, vertreibt den anderen. Ich wollte das nie einsehen. Aber es ist dasselbe, als würde man sagen, es regnet nicht, wenn die Kleidung schon klitschnass am Körper klebt. Mein Morgenmixtape wirft Here in this diary und It's hip to be square durch die Boxen. Wie wild jage ich durchs Zimmer, lasse mich aufs Sofa fallen und dann ist es gut. Mir ist nichts mehr peinlich, ich bin ihm nicht mehr böse. Ich bin wieder einen Schritt weiter und er vielleicht auch. Schritte auf verschiedenen Wegen. Es regnet. Die Geschichte trottet voran. The only thing that matters is just following your heart and eventually you'll finally get it right..
Diotima de Beauvoir - 9. Sep, 17:02
So. Joggen erfolgreich, frisch geduscht und schon dabei Schritt eins erfolgreich auszubauen. Das wichtigste hatte ich nämlich beinahe vergessen: Freundschafen reaktivieren!
Ihn zu lieben hat mich so viel Energie gekostet, dass ich meine Lieben völlig vernachlässigt habe. Das kann so nicht weitergehen. Aber das Tolle an Freundschaft: Sie bleibt, auch wenn man eine Weile lang verschwindet.
Ich habe jezt ein gutes Programm für die gesamte nächste Woche:
Samstag: Radiosendung zum Thema Liebeskummer, Yoga und Sauna und anschließend Party mit Inia und Jens
Sonntag: Projekt-Treffen, Yoga und anschließend kommt Rocco vorbei
Montag: Tagsüber vielleicht Rimbo sehen, jedenfalls Kino Abends: I'm still here
Dienstag: Morgens arbeiten, Abends Treffen mit Alex
Mittwoch: Abens wieder Kino, 19.30 Giulia geht Abends nie raus, oder Age of Sound im Duncker
Donnerstag: Jonas treffen, Abends Neubauten!!
Freitag: Lindi wiedertreffen, Abends dEUS und Art Brut
Samstag: Yoga, Abends Kasabian
Sonntag: Yoga, Abends Metalll - Konnnzerttt
So - 17 h, nächster Schritt, die Sendung für morgen vorbereiten.
Diotima de Beauvoir - 9. Sep, 16:31
Bevor ich mich den Feinjustierungen widme, muss der Liebeskummer bewältigt werden. Und seit jeher ist das beste Mittel dazu: Ablenkung. Im Moment kann ich kaum klar denken. Da sind kleine Schritte und kleine Erfolge angesagt. Erstmal Sport machen. Rein in die Jogginghose. Ziel: halbe Stunde Joggen. Bis gleich.
Diotima de Beauvoir - 9. Sep, 13:58
Es ist viertel vor Zwei. Ich sitze immer noch auf dem Bett, einen Teller mit einem halb aufgegessenen Schokoladenkuchen vor mir und eine halb leere Schachtel Zigaretten neben mir. So wird das nichts mit dem Verführen. Disziplin ist angesagt. Ich bringe den Teller mit der Schokolade in die Küche und rauche die letzte Zigarette. Ein Plan muss her. Ich schreibe ein paar erste Ideen nieder:
1. Den Liebeskummer loswerden:
Ablenkung:
- meine Bachelorarbeit schreiben
- mich engagieren
- Filme schauen
- Bücher lesen
2. Aussehen optimieren:
Figur:
- Diätplan erstellen und durchhalten
- Fitnessplan erstellen und durchhalten
- das alles nicht fanatisch sehen
3. Haltung lernen
- mich in Konversation und Auftreten dem Anlass anpassen
- aufrecht gehen
- Blicke halten und erwidern
- Gelassenheit lernen
4. Üben üben üben
- möglichst überall gut aussehen
- so viele Dates wie möglich
- Flirten wann und wo es geht
5. Moralgrundsätze:
- niemandem weh tun
- Freude machen durch Verführung, mir und anderen
6. Die Herzensbrecher wieder aufsuchen und Genugtuung abholen
So weit erstmal, auf zum ersten Schritt: Liebeskummer überwinden
Diotima de Beauvoir - 9. Sep, 13:43
Nur ein Herz, das Narben trägt, weiß, dass es gelebt hat. Ich zerknülle den kleinen Zettel, den ich eben aus dem durchweichten Klumpen geklaubt habe, der in seinem früheren Leben gestern Abend mal ein Glückskeks war. Ich trete ihn ausführlich in die nächste Pfütze. Da haben wir etwas gemeinsam: Gestern Abend, in meinem früheren Leben, war ich auch noch so ein Glückskeks. Und jetzt bin ich auch nur noch ein armseliges durchweichtes Etwas mit blöden Sprüchen drin. Mit blöden Glückskeksmetaphern zum Beispiel. Ich gehe nach Hause, schreibe ihm nochmal, fühle mich kein bisschen besser und weiß, dass ich damit nichts bewegt habe, es sei denn was in richtung schlimmer. Es ist ganz einfach und es ist nicht zu ändern. Ich liebe ihn sehr und er liebt mich nicht mehr. Es gibt schlimmeres aber es gibt nichts schlimmeres.
Ich zünde mir eine Zigarette an, lösche sie wieder, stelle mich im Wohnzimmer vor den Spiegel und suche meinen eigenen Blick. Meine Augen sind rot vom weinen und schauen nach ein paar Minuten starr durch mich hindurch. Ich wende mich ab. Ich denke an unser erstes Treffen. An unseren ersten Kuss und an die Küsse danach. An seinen Geruch, den ich so mochte. An die Gespräche, die mir eine ganz andere Welt gezeigt haben. An den Blick seiner Augen, manchmal warm und liebevoll, manchmal kalt und beinahe verachtend. An das schlechte Gewissen, wenn ich bei einem anderen lag und nur an ihn denken konnte. An den Schmerz, den ich nicht wollte und doch aushalten musste, wenn ich ihn mit einer anderen Frau gesehen habe. Und ich denke an gestern Abend. Wie ich voll von Glücksgefühlen war - wie immer in seiner Gegenwart. Wie ich am liebsten in seinem Arm gelegen hätte und wie er dann aufstand und ging.
Genug, denke ich.
So kann es nicht weitergehen. Ich will nicht immer die sein, die am Ende mit gebrochenem Herzen da steht. Jetzt werde ich Verführerin.
Ich habe schon seit einer Weile für mich festgestellt, dass ich ein Freundschaftsmensch bin, kein Beziehungsmensch. Ich will an die Person, die ich liebe, keine Ansprüche stellen und ich komme nicht gut damit zurecht, wenn man mir Ansprüche stellt. Aber ich liebe aufrichtig. Und bis jetzt hatte ich damit immer das Nachsehen. Bevor das hier aber zu kompliziert wird:
Ich habe mich entschieden - wenn ich schon Geliebte bin, dann will ich es auch im wahrsten Sinne des Wortes sein. Geliebt werden. Nicht immer nur unglücklich lieben. Ich will die Kunst der Verführung lernen.
Diotima de Beauvoir - 9. Sep, 12:42